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Corona-Pandemie könnte durch Reduzierung der Aerosol-Übertragung besser bekämpft werden

Arbeitsausschuss Feinstäube (AAF) TROPOS empfiehlt konkrete Gegenmaßnahmen für Innenräume: Masken, Lüften, Luftreinigung und Überkopfabsaugungen

Leipzig. Aerosole und ihre Ausbreitung spielen im Zusammenhang mit der Übertragung von COVID-19 eine wesentliche Rolle. Das Übertragungsrisko könnte jedoch deutlich gesenkt werden, wenn mehr zur Reduzierung der Viren in der Innenraumluft getan würde. Der Arbeitsausschuss Feinstäube (AAF) hat daher eine Stellungnahme mit konkreten Empfehlungen vorgelegt. Dazu zählen u.a. Entlüftungen, Absaugungen, Luftreinigungsanlagen und CO2-Messgeräte für Innenräume wie Klassenzimmer oder Verkehrsmittel sowie der verstärkte Einsatz von N95- und FFP2-Masken. Diese Gegenmaßnahmen könnten kurzfristig helfen, vor allem im Winter die Corona-Pandemie besser einzudämmen bis Impfungen großflächig wirken werden. Sie könnten aber auch langfristig helfen, Infektionen wie die saisonale Grippe oder weitere Pandemien in Zukunft besser zu kontrollieren.

 

Darstellung der Größenverhältnisse von SARS-CoV-2 Viren (0,1 µm) bei Aerosolpartikelemissionen aus Nase und Mund. (Von links nach rechts: (A): Ruheatmung, (B): Sprechen, Singen und Schreien (Mund), (C): Noch größere Tröpfchen werden beim Niesen aus Nase und Mund ausgestoßen. Schwebende Viren sind in Speichel oder eingetrocknete Lungenflüssigkeit eingebettet, feuchtkaltes Klima und Dunkelheit verlängern ihre Aktivität. Partikel A können in ungelüfteten Räumen länger als einen Tag schweben, Partikel B mehrere Stunden. Die größten Partikel (C und zumeist noch größer) vom Niesen sinken in wenigen Sekunden zu Boden. Anders als Alltagsmasken schützen N95- und FFP2-Masken auch gegen Partikel A.)  Grafik: Hartmut Herrmann / Konstanze Kunze, TROPOS
Darstellung der Größenverhältnisse von SARS-CoV-2 Viren (0,1 µm) bei Aerosolpartikelemissionen aus Nase und Mund. (Von links nach rechts: (A): Ruheatmung, (B): Sprechen, Singen und Schreien (Mund), (C): Noch größere Tröpfchen werden beim Niesen aus Nase und Mund ausgestoßen. Schwebende Viren sind in Speichel oder eingetrocknete Lungenflüssigkeit eingebettet, feuchtkaltes Klima und Dunkelheit verlängern ihre Aktivität. Partikel A können in ungelüfteten Räumen länger als einen Tag schweben, Partikel B mehrere Stunden. Die größten Partikel (C und zumeist noch größer) vom Niesen sinken in wenigen Sekunden zu Boden. Anders als Alltagsmasken schützen N95- und FFP2-Masken auch gegen Partikel A.) Grafik: Hartmut Herrmann / Konstanze Kunze, TROPOS

Der Arbeitsausschuss Feinstäube vereint Expertinnen und Experten aus Ingenieurswissenschaften, Chemie, Physik, Biologie, Meteorologie und Medizin, die in den Fachgesellschaften ProcessNet (DECHEMA/ VDI-GVC), Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) organisiert sind. In seiner Herbstsitzung hat der Arbeitsausschuss Feinstäube (AAF) die Rolle von Aerosolpartikeln bei der Ausbreitung der SARS-CoV2-Viren diskutiert und dazu eine Stellungnahme erarbeitet. Auf Basis Ihrer Expertise beschreiben die Autoren in der jetzt veröffentlichten Stellungnahme verschiedene Aerosoltypen hinsichtlich ihrer Entstehung, Reichweite, Verweilzeit in der Luft und leiten daraus Empfehlungen zum Schutz durch verschiedene Maßnahmen ab. Die Autoren unterstützen ausdrücklich die aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, schlagen aber vor, noch mehr zur Reduzierung von Viren in der Raumluft zu tun.

Der Arbeitsausschuss Feinstäube rät zur strikten Anwendung der Empfehlungen aufgrund des aktiven Aerosolausbreitungspfads: Masken (besonders der Einsatz von N95- und FFP2-Masken) sind hilfreich und notwendig, Lüften ist eine gute Sofortmaßnahme und geeignete Luftreiniger sollten angewendet werden.

Weiterhin kommt das Gremium zu dem Schluss, dass über die bereits getroffenen Maßnahmen hinaus mehr Augenmerk auf die Art des Lüftens gerichtet werden sollte: Besonders die kleinere Aerosolteilchen steigen mit der warmen Atemluft auf und verbreiten sich dann unterhalb der Raumdecke. Die Fachleute des Arbeitsausschusses empfehlen daher, bei Lüftungsanlagen darauf zu achten, dass die Frischluftzufuhr nicht von oben nach unten erfolgt, da dies zur Verwirbelung von Frisch- und Atemluft führt und Viren dann länger in der Raumluft schweben können. Dazu würden auch Deckenventilatoren beitragen, die in der momentanen COVID-19-Pandemie kontraproduktiv seien. Stattdessen sollte darauf geachtet werden, dass tatsächlich nach oben abgesaugt wird. In Flugzeugen oder im öffentlichen Nahverkehr könnte perspektivisch eine Umkehrung der Luftzu- und Abführung Abhilfe schaffen.

Das Expertengremium rät darüber hinaus dazu, kurzfristig Entlüftungen und Überkopfabsaugungen in vielen Bereichen zu installieren, besonders in Schulräumen oder in der Gastronomie. Die Beobachtung der CO2-Konzentration sei ein geeigneter Indikator dafür, wie gut die Belüftung wirkt. Auch für Kultureinrichtungen könnten sich durch Überwachung des CO2-Anteils und damit der Innenraumluft später Möglichkeiten für eine Normalisierung des Betriebs ergeben. In den Bundesländern sollten Mittel bereitgestellt werden, damit Entlüftungen, Absaugungen, Luftreinigungsanlagen und CO2-Messgeräte in den Schulklassen installiert werden können. Auf lokaler Ebene wäre es hilfreich, wenn Verwaltungsreglungen gelockert und Schulleitungen mehr Gestaltungsspielraum bekämen. Bei konsequenter Umsetzung der Maßnahmen könnten ca. 90 Prozent aller potenziell virenhaltiger Aerosole aus den Klassenzimmern entfernt werden.

„Wir sehen deutlich den damit verbundenen kurz- und mittelfristigen personellen und technischen Aufwand, sind aber überzeugt, dass die angemessene Berücksichtigung der Virusausbreitung über den Aerosolpfad zu einer kurzfristigen und auch nachhaltigen Eindämmung des jetzigen Infektionsgeschehens führen kann. Solche Investitionen wären auch für später von Vorteil, beispielsweise für die Luftqualität in den Klassenzimmern“, erklärt Prof. Hartmut Herrmann vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), der Vorsitzender des Arbeitsausschuss Feinstäube (AAF) ist. Herrmann hatte zuvor bereits an Empfehlungen einer internationalen Gruppe von Aerosol-Forschenden mitgearbeitet (https://tinyurl.com/y4wuodkt) sowie über die VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) (https://www.vdi.de/fileadmin/pages/vdi_de/redakteure/themen/Corona/Dateien/Das_Corona-FAQ_VDI.pdf), die in die deutschen Empfehlungen eingeflossen sind. Auch wenn die Weltgesundheitsorganisation WHO immer noch zu wenig darauf aufmerksam macht, für Fachleute steht längst außer Zweifel, dass Aerosole, also winzige Schwebteilchen in der Luft, stark zur Ausbreitung der SARS-CoV2-Viren beitragen. „Wir sind uns bewusst, dass die technische Umsetzung von effizienteren Lüftungsmaßnahmen vermutlich eine der anspruchsvollsten Maßnahmen in der momentanen Situation in Deutschland ist. Der Infektionsschutz vor virenbelasteten Aerosolpartikel in Innenräumen und Verkehrsmitteln durch verbesserte Lüftungstechnik ist aber gerade in den kalten Wintermonaten besonders wichtig, um Corona-Superspreader-Events zu vermeiden“, unterstreicht Prof. Peter Wiesen von der Bergischen Universität Wuppertal, der einer der Autoren der Stellungnahme ist.

Der Arbeitsausschuss sieht über die bereits getroffenen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina hinaus die Chance, mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen zunächst kurzfristig, die COVID-19-Pandemie einzudämmen, bis ein Impfstoff wirklich breite Bevölkerungskreise erreicht hat. Außerdem  könnten mit diesen Maßnahmen in der Zukunft auch Infektionen wie die saisonale Grippe, die über den Luftpfad verbreitet werden, zurückgedrängt werden.

 

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